Eine Obergrenze für Flüchtlinge muss variabel sein
Theoretisch kann eine starre Obergrenze für Flüchtlinge festgelegt werden. So könnte gesetzlich bestimmt werden, dass seitens der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise höchstens 200000 Flüchtlinge aufgenommen werden. Eine solch starre Obergrenze würde aber dem komplexen und sehr variablen Fluchtgeschehen nicht gerecht werden. Die Flüchtlingszahlen können plötzlich sprunghaft ansteigen. Darauf zu setzen, dass die anderen Staaten den stark vergrößerten Flüchtlingsstrom aufnehmen, wäre diesen gegenüber unsolidarisch. Außerdem würde das gegen das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Asyl und gegen den völkerrechtliche Bestimmungen zum Schutz der Flüchtlinge verstoßen. Das Asylrecht und der völkerrechtliche Schutz der Flüchtlinge sind hohe Güter, die es zu schützen gilt. Alles andere wäre unmenschlich.
Allerdings sollte vermieden werden, dass ein Land mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert wird. Es muss also einen gewissen Spielraum bei der Gewährung von Asyl und bei der Einhaltung völkerrechtlicher Verträge geben. Insofern kann durchaus eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen festgelegt werden, sofern diese nicht starr, sondern variabel und somit an die jeweilige Lage angepasst gehandhabt wird. Diese Obergrenze hätte den Charakter einer Absichtserklärung. Es gibt verschiedene Stellschrauben, mittels derer sich die Zahl der Flüchtlinge, die Zahl der Asylanträge oder die Zahl der anerkannten Flüchtlinge reduzieren lässt. Stets ist aber darauf zu achten, dass dies auf menschliche Weise geschieht.
Bekämpfung der Fluchtursachen
Migration kann aus freien Stücken oder aufgrund von Zwang geschehen. Zwangsweise Migration, die Flucht, ist in jedem Fall ein Übel. Ein Übel gilt es stets an der Wurzel zu bekämpfen. Die Bekämpfung der Fluchtursachen ist die wirksamste und humanste Lösung, wie die Flüchtlingszahlen gesenkt werden können.
Allerdings ist die Bekämpfung der Fluchtursachen leichter gesagt als getan. Die Fluchtursachen sind nämlich komplex und wir sind nur zum Teil für sie verantwortlich. Der andere Teil der Verantwortung liegt bei den anderen Staaten und speziell auch bei den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Das bedeutet, dass die Bekämpfung der Fluchtursachen nur zum Teil in unserer Hand liegt und auch von den Herkunftsländern der Flüchtlinge in Angriff genommen werden muss. Dass dies nicht oder nur unzureichend geschieht, liegt in verschiedenen Schwierigkeiten innerhalb und außerhalb Deutschlands begründet.
Die wesentlichen Fluchtursachen sind: bewaffnete Konflikte, Verfolgung, Versagen von Regierungen und staatlichen Institutionen, demographischer Druck, Umweltzerstörung und Klimawandel und außerdem Hunger. Oft drehen sich Konflikte um Rohstoffe und die durch ihren Abbau erzeugten Einnahmen und Schäden. So kann man sagen, dass die weltweite Gier nach Rohstoffen vielen Konflikten zugrunde liegt oder diese schürt.
Das entscheidende Wort hinsichtlich des Fluchtgeschehens ist „Lebensperspektive“. Wenn Menschen für sich keine Lebensperspektive mehr sehen, fliehen sie. Sie fliehen nach Möglichkeit dorthin, wo sie für sich eine Lebensperspektive sehen.
Das Ziel des Verbleibs von Flüchtlingen in der Nähe ihrer Heimat
Wenn wir von Flüchtlingen sprechen, dann müssen wir uns klar machen, dass längst nicht alle ihr Heimatland verlassen. So bleibt mehr als die Hälfte der Flüchtlinge im eigenen Land. Diese Flüchtlinge werden als „Binnenvertriebene“ bezeichnet. Von den Flüchtlingen, die ihr Heimatland verlassen, kommt ein Großteil in einem benachbarten Land unter, sei es in Flüchtlingslagern oder am Rande der Gesellschaft in den Städten. Nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge macht sich also überhaupt auf den Weg nach Europa. Die Hauptlast tragen somit die Nachbarländer.
Aus europäischer Sicht mag es anzustreben sein, dass ein Großteil der Flüchtlinge nahe ihres Herkunftsstaates bleibt. Im Hinblick auf eine erhoffte baldige Rückkehr ist das auch sinnvoll. Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass ein Großteil der Flüchtlinge in den Nachbarstaaten keine Perspektive hat und dort unter erbärmlichen Bedingungen lebt. Wenn die heimatnahe Unterbringung als Lösung des Flüchtlingsproblems propagiert wird, muss aufgezeigt werden, wie sich die Lebensbedingungen in den Nachbarstaaten verbessern und die Konflikte mindern lassen, damit ein längerfristiger Aufenthalt möglich wird. Insofern müssen die Flüchtlingslager ausreichend finanziert und betreut werden und außerdem bedarf es in betroffenen Ländern gesetzlicher Rahmenbedingungen, die Flüchtlingen wirtschaftliche Tätigkeiten zur Bestreitung des Lebensunterhalts und allgemein menschenwürdige Lebensbedingungen ermöglichen.
Eine „Festung Europa“ ist keine Lösung
Angesichts großer Flüchtlingszahlen liegt es nahe, das Hauptgewicht darauf zu legen, dass überhaupt keine irregulären Migranten mehr die Europäische Union (EU) betreten. Es ist Aufgabe des Staates, den rechtlichen Rahmen der Migration festzulegen. Er hat auch dafür zu sorgen, dass das Recht eingehalten wird. Da Flüchtlinge in der Regel nicht in Besitz der Reisedokumente sind, die einen legalen Aufenthalt im Zielland begründen, gelten sie zunächst als irreguläre Migranten. Ob ihnen in irgendeiner Form ein Flüchtlingsstatus und damit eine Aufenthaltserlaubnis gewährt werden kann, muss ja geprüft werden.
In Ermangelung der nötigen Reisepapiere und Identitätsnachweise fliehen Menschen gewöhnlich auf illegalen Wegen. Sie müssen also versuchen, ihr Zielland ohne die nötigen Reisedokumente und Identitätsnachweise zu erreichen. Eine solche Flucht birgt große Gefahren und ist ohne Hilfeleistung nicht möglich. Die entscheidende Hilfeleistung erfolgt gewöhnlich durch Schleuser, auch als „Schlepper“ bezeichnet. Die Hilfeleistung der Schleuser kann ein Freundschaftsdienst sein, aus unternehmerischem Denken heraus erfolgen oder eine kriminelle Machenschaft sein.
Wenn es ein Land oder die gesamte EU nur darauf anlegt zu verhindern, dass Flüchtlinge den Boden des betreffenden Landes oder der EU betreten, dann wird das Schleusertum geradezu befördert. Die Schleuser sind mit ihrem Wissen und ihren Kontakten die einzigen, die unter erschwerten Umständen der Flucht zu einem guten Ende verhelfen können, indem die Grenzsicherung umgangen wird.
Grenzsicherung muss also stets ermöglichen, dass Flüchtlinge einen Asylantrag stellen können. Dieser muss nicht im Zielland innerhalb der EU gestellt werden können, sondern es ist auch ein Asylantrag außerhalb des EU-Territoriums an der Grenze oder in einem Drittstaat möglich, sofern die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen wurden. Die Prüfung eines Asylantrags an der Grenze oder in einem Drittstaat ist jedoch nur unter ganz bestimmten Bedingungen eine Option, denn sie zieht eine Vielzahl rechtlicher, organisatorischer und logistischer Probleme nach sich.
Staaten, die – wie die Bundesrepublik Deutschland – die Genfer Flüchtlingskonvention und/oder die UN-Antifolterkonvention (CAT) unterzeichnet haben, müssen sich an das Gebot der Nicht-Zurückweisung halten. Gemäß diesem Gebot dürfen Asylbewerber nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in dem Verfolgung droht (Refoulement-Verbot). Dieses Gebot ist im Grunde sinnvoll, weil es der Unmenschlichkeit einen Riegel vorschiebt, allerdings ist es zunehmend weit ausgelegt worden. Dies wirkt wie eine Einladung: Kommt alle, keiner wird zurückgeschickt! Der Widerspruch zwischen dem Gebot der Nicht-Zurückweisung in der heutigen Deutung und dem Bestreben der EU-Mitgliedsstaaten, die EU-Außengrenzen zu sichern und die illegale Einreise zu bekämpfen, könnte durch eine Änderung der gegenwärtigen juristischen Praxis oder durch die ordentliche Kündigung der Genfer Flüchtlingskonvention seitens der EU erfolgen. An die Stelle der Genfer Flüchtlingskonvention könnte – möglicherweise zunächst nur auf die EU begrenzt – ein neues Abkommen treten, und zwar ohne das Prinzip der Nicht-Zurückweisung, aber mit der Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen.
Seenotrettung von Flüchtlingen als notwendiges Übel
Die Rettung von Flüchtlingen, die in Seenot geraten sind, ist aus Sicht eines rigiden Grenzschutzes Beihilfe zu illegaler Migration und wird insofern gegeißelt. Aus Sicht der Befürworter liberaler Asylgesetzgebung handelt es sich dagegen um einen lobenswerten Akt der Menschlichkeit. Mit Blick auf diese gegensätzlichen Bewertungen ist festzustellen, dass es sich bei der Seenotrettung um eine Pflicht handelt. Es handelt sich um eine Pflicht gegenüber allen Menschen, und zwar unabhängig davon, ob die Gefahrensituation ohne eigenes Verschulden oder fahrlässig herbeigeführt worden ist. Die Verweigerung von Seenotrettung verstößt gegen das Seerecht und ist unmenschlich.
Die Seenotrettung von Flüchtlingen ist also notwendig. Dabei ist sie aber auch ein Übel, weil sie ohne Rücksicht darauf geschieht, aus welchen Gründen die Migranten die Seereise auf sich genommen haben, und das Erreichen des EU-Territoriums befördert. Der Vorwurf, illegaler Migration werde Vorschub geleistet, ist also nicht von der Hand zu weisen. Ebenso gefährdet die Seenotrettung unbeabsichtigt die Migranten und erhöht die Gewinne der Schleuser, weil diese auf Seenotrettung setzen und für die Überfahrt schlechtere Schiffe zur Verfügung stellen.
Legale Fluchtwege lassen sich nur sehr begrenzt eröffnen
Nun liegt der Gedanke nahe, dass sich die gefährlichen Fluchtwege und die Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen vermeiden lassen, wenn man legale Fluchtwege anbietet. Der Gedanke an sich ist gut, allerdings nur sehr begrenzt umsetzbar.
Durchaus realistisch ist, Flüchtlingen die Möglichkeit zu eröffnen, in einer diplomatischen Vertretung im Ausland den Antrag auf ein humanitäres Visum zu stellen. Schon die Vorprüfung des Asylantrags und Ausstellung eines humanitären Visums bedarf der nötigen Rahmenbedingungen, Absprachen und organisatorischen Maßnahmen. Ganz problematisch wird es, wenn die diplomatische Vertretung in einem sogenannten Botschaftsverfahren vor Ort das reguläre Asylverfahren durchführen soll. Dafür fehlen die personellen und organisatorischen Voraussetzungen. Auch ist ein Botschaftsverfahren unter diplomatischen Gesichtspunkten heikel.
Bereits ausgiebig erprobt sind verschiedene Arten humanitärer Aufnahmeprogramme. Dazu gehört zum einen das Resettlement für Flüchtlinge, denen die Rückkehr in ihr Herkunftsland verwehrt bleibt und die auch nicht im Erstaufnahmeland integriert werden können. Zum anderen gehören dazu Private Sponsorship – Programme und temporäre Aufnahmeprogramme. An den verschiedenen humanitären Aufnahmeprogrammen bekommen stets nur kleine, genau definierte Flüchtlingsgruppen Anteil.
Legale Fluchtwege können also nur wenigen Flüchtlingen eröffnet werden. Es ist somit sicherlich kein gangbarer Weg, Flüchtlinge, die auf illegalem Weg in die EU kommen, grundsätzlich von einem Asylverfahren auszuschließen. Ein solcher Ansatz würde zwar die Zahl der Asylanträge stark senken, aber außer acht lassen, dass sich das Fluchtgeschehen nicht so leicht steuern lässt.
Der Familiennachzug stellt eine der wichtigsten und zahlenmäßig relevanten Möglichkeiten legaler Einreise dar. Er setzt voraus, dass bereits einer als schutzbedürftig anerkannten Person ein Schutzstatus gewährt worden ist. Der Familiennachzug kann zwar begrenzt werden, aber den engsten Angehörigen den Nachzug zu verweigern, würde Familien auseinanderreißen – und das in vielen Fällen auf Dauer. Auch müssten die Familienangehörigen im Falle einer eigenen lebensbedrohlichen Lage selbst lebensgefährliche Fluchtwege auf sich nehmen und dann eigene Asylanträge stellen. Das würde letztendlich auf eine vermeidbare Zusatzbelastung der Asylämter hinauslaufen.
Rechtsstaatliches Asylverfahren erforderlich
Die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge könnte dadurch begrenzt werden, dass knallharte Prüfungen der Asylberechtigungen durchgeführt werden: Demnach müsste ein Flüchtling zweifelsfrei den vorgebrachten Grund für das Asylbegehren belegen und einen Identitätsnachweis vorlegen können.
Gegen einen solchen Ansatz spricht, dass sich Fluchtgründe oftmals nicht eindeutig belegen lassen. Auch können Identitätsnachweise im Rahmen der Flucht verlorengehen. Eine neue Ausstellung ist schwerlich möglich. Hinzu kommen mögliche Sprachprobleme bei der Anhörung und durch traumatische Erlebnisse verursachte Probleme bei der Schilderung des Sachverhaltes. Und schließlich kann es bei der Sprachmittlung Probleme geben, was zu einer fehlerhaften Übermittlung des Erzählten führt. Auch das Personal des für die Anhörung zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) besitzt nicht unbedingt das für die richtige Beurteilung von Schilderungen und Sachverhalten nötige Wissen. All dies kann zu einer falschen Bewertung der Schilderungen und Sachverhalte und somit zu einer Ablehnung des Asylantrags führen, obwohl eigentlich die Gewährung von Asyl berechtigt wäre.
Die Prüfung der Asylanträge muss nach rechtsstaatlichen Maßstäben erfolgen, schon um ein gerichtliches Berufungsverfahren zu vermeiden. Allerdings können im Hinblick auf bestimmte Flüchtlingsgruppen Sonderregelungen geschaffen werden, wie beispielsweise die Durchführung des Asylverfahrens an der Außengrenze des EU-Territoriums oder ein verkürztes Asylverfahren oder eine Einschränkung des Rechtswegs im Falle der Ablehnung des Asylantrags. Die Sonderregelungen dürfen jedoch nicht dazu führen, dass das Asylrecht als solches ausgehöhlt wird.
Beseitigung von anziehenden Faktoren
Es gibt nicht nur Faktoren, die Menschen aus ihrem Heimatland treiben („Push-Faktoren“), sondern auch anziehende Faktoren seitens eines Ziellandes („Pull-Faktoren“). Zu diesen anziehenden Faktoren gehören Sozialleistungen, in deren Genuss Flüchtlinge in ihrem Heimatland nicht kommen. Die Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland für Flüchtlinge kann durch eine Senkung der diesen gewährten Sozialleistungen vermindert werden. Dabei muss jedoch das Existenzminimum gewahrt bleiben. Somit ist der Spielraum gering, weil die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht üppig bemessen sind. Und die Verlängerung der Einschränkung der Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge kann zu einer zu späten Behandlung und so zu hohen Kosten in der Notfallversorgung oder bei der Intensivbehandlung nach sich ziehen.
Auch die Einführung der Geldkarte kann ein Mittel sein, die Gewährung von Sozialleistungen so zu gestalten, dass von ihnen keine Anziehungskraft ausgeht. Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass die Höhe der Sozialleistungen nicht der Hauptfaktor für die Wahl des Ziellandes ist. Entscheidend sind vielmehr die Perspektiven, die ein Flüchtling in einem Land sieht, und persönliche Beziehungen.
Konsequente Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise
Und schließlich kann das Problem einer zu großen Belastung Deutschlands aufgrund zu hoher Flüchtlingszahlen mittels einer Verringerung der Anzahl Flüchtlinge, die sich bereits auf dem Territorium der EU bzw. Deutschlands befindet, angegangen werden. Die Hebel dazu sind die Forcierung der freiwilligen Rückkehr und die konsequente Durchsetzung von Ausreisepflicht.
Damit Ausreisepflicht konsequent durchgesetzt werden kann, müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Es muss – auf menschenwürdige Weise – verhindert werden, dass die ausreisepflichtige Person untertauchen kann. Außerdem bedarf es der nötigen Reisedokumente, möglicherweise einer vorherigen Identitätsfeststellung, und schließlich der Rücknahme der rückgeführten Flüchtlings seitens deren Heimatländer. Für all dies sind Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland bzw. der EU und den Heimatländern der Flüchtlinge erforderlich. Für den Abschluss der erforderlichen Abkommen bedarf es des Verhandlungsgeschicks.