Es gibt drei Wege, wie die Flüchtlingszahlen in der Europäischen Union (EU) bzw. in Deutschland reduziert werden können: Der erste Weg ist die Bekämpfung der Fluchtursachen. Er packt das Übel an der Wurzel an, sieht sich jedoch mit dem Problem konfrontiert, dass die Fluchtursachen komplex sind. Der zweite Weg ist die Verminderung der Zahl der Flüchtlinge, die die EU bzw. Deutschland erreicht. Er versucht die Fluchtwege zu versperren und die Flüchtlinge am Überschreiten der Grenze zum EU-Territorium zu hindern. Über Asylanträge von Flüchtlingen, die es bis zur EU-Grenze geschafft haben, wird an der Grenze oder in einem Staat, der nicht zur EU gehört, entschieden. Der dritte Weg ist die Verringerung der Anzahl Flüchtlinge, die sich bereits auf dem Territorium der EU bzw. Deutschlands befindet.

Die Verringerung der Anzahl Flüchtlinge, die sich bereits auf dem Territorium der EU bzw. Deutschlands befindet, erfolgt zum einen auf dem Wege der normalen Migration. Es kommen ja schließlich nicht nur Flüchtlinge nach Deutschland, sondern Flüchtlinge verlassen Deutschland auch wieder. Eine solche Emigration erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Lage im Heimatland wieder verbessert hat. Zum anderen erfolgt die Verringerung durch freiwillige Rückkehr und Rückführung.

Freiwillige Rückkehr betrifft alle Flüchtlinge, die aus irgendeinem Grund nicht mehr in Deutschland bleiben können oder wollen, die Rückkehr in ihr Heimatland aber nicht finanzieren können. Bei der freiwilligen Rückkehr kann ein Flüchtling die Rückkehrberatung und staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Freiwillige Rückkehr hat Vorrang vor Rückführung. Die Rückführung (= zwangsweise Rückkehr, auch als „Abschiebung“ bezeichnet) trifft Personen, deren Aufnahmegesuch abgelehnt wird, oder deren Aufenthaltsgenehmigung aus irgendeinem Grund erlischt.

Freiwillige Rückkehr hat Vorrang vor Abschiebung

Viele Menschen kommen mit großen Hoffnungen aber falschen Vorstellungen nach Deutschland. Ihre individuellen Erwartungen, die mit Aufenthalt und Asylantragstellung in Deutschland verbunden sind, erfüllen sich nicht. Wenn hier eine persönliche, berufliche und/oder aufenthaltsrechtliche Zukunftsperspektive fehlt, dann suchen sie eine Rückkehrberatungsstelle auf, um professionellen Rat einzuholen. Die häufigsten Gründe für die Entscheidung zur Rückkehr ins Herkunftsland sind: abgelehnter Asylantrag und bestehende Ausreisepflicht, kein dauerhaftes Bleiberecht, unerfüllte Erwartungen, verbesserte Situation im Herkunftsland, familiäre Gründe oder Heimweh.i

Der Entschluss, in das Heimatland zurückzukehren, fällt meist nicht leicht. Für manche ist Deutschland schon zur zweiten Heimat geworden, andere befürchten, durch eine Rückkehr mit leeren Händen ihr Gesicht zu verlieren.ii

Rückkehrberatung ist an kein besonderes Stadium oder Ergebnis des Asylverfahrens gebunden. Sie dient in erster Linie Asylbewerbern mit geringen Anerkennungschancen oder negativem Asylbescheid zur Vermeidung einer zwangsweisen Rückkehr, einer Rückführung. Daher sollten diese Asylbewerber frühzeitig auf die Möglichkeit einer unterstützten freiwilligen Rückkehr hingewiesen werden. Die freiwillige Rückkehr hat stets Vorrang gegenüber einer Rückführung.iii

Die europarechtliche Grundlage für die Rückkehrberatung ist die „Rückführungsrichtlinie“ 2008/115/EG. Diese fordert die EU-Mitgliedstaaten in Erwägungsgrund 10 dazu auf, zur Förderung der freiwilligen Rückkehr eine verstärkte Rückkehrhilfe und -beratung zu gewähren und die einschlägigen vom Europäischen Rückkehrfonds gebotenen Finanzierungsmöglichkeiten optimal zu nutzen. Im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) § 11 Abs. 1 heißt es: „Im Rahmen von Leistungen nach diesem Gesetz ist auf die Leistungen bestehender Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme, die Leistungsberechtigten gewährt werden können, hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken“.iv

Anders als die Durchführung des Asylverfahrens, die Sache des Bundes ist, wird Rückkehrförderung durch die Verwaltung der Bundesländer umgesetzt. Die Aufenthaltsbeendigung liegt in der Zuständigkeit der Ausländerbehörden, wird also ebenfalls durch die Bundesländer koordiniert.v

Das Beratungsgespräch

Bei der Rückkehrberatung handelt es sich um eine freiwillige, vertrauliche, neutrale, individuelle und umfassende Beratung zu allen Fragen, die im Zusammenhang mit der Rückkehr und Reintegration in das Heimatland der betroffenen Person bestehen. Es geht darum, die betroffene Person mit den notwendigen Informationen zu versorgen, damit sie eine fundierte Entscheidung hinsichtlich einer möglichen Rückkehr in ihr Herkunftsland treffen kann. Das Beratungsgespräch verpflichtet nicht zur Ausreise und hat keinen Einfluss auf das Asylverfahren.

Diese Rückkehrberatung kann durch staatliche oder nichtstaatliche Stellen erfolgen. In Deutschland gibt es mehr als 900 Rückkehrberatungsstellen. Unabhängige oder nichtstaatliche Beratungsstellen sind zum Beispiel Wohlfahrtsverbände, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder andere Organisationen. Staatliche Beratungsstellen finden sich in den Sozialämtern oder bei den Einwanderungsbehörden. Die Beratung erfolgt durch qualifizierte Mitarbeiter, persönlich oder online. Das Hauptanliegen der Rückkehrberatungsstellen ist es, eine Rückkehr in Würde

zu ermöglichen und eine dauerhafte und erfolgreiche Wiedereingliederung zu fördern.

Sobald die betroffene Person alle Informationen hat, die sie benötigt, kann sie sich Zeit nehmen, um über Ihren nächsten Schritt nachzudenken. Sie kann ihre Meinung während des Prozesses ändern.vi

Die Vorbereitung der Rückkehr und Wiedereingliederung

Entscheidet sich die ratsuchende Person für eine Rückkehr, kann sie weiterhin Beratung in Anspruch nehmen, allerdings ändern sich dann deren Art und Inhalt. Es geht nun nicht mehr um eine ergebnisoffene Entscheidungsfindung, sondern um eine ergebnisorientierte Vorbereitung der Rückkehr und Wiedereingliederung sowie um die Organisation der Ausreise. Gemeinsam wird zunächst ein individueller Rückkehrplan erarbeitet, der den persönlichen Hilfebedarf ermittelt und alle Maßnahmen zur Vorbereitung der Rückkehr und Wiedereingliederung mit einem Zeitplan für deren Umsetzung und einer Aufgabenverteilung enthält. Vor der Ausreise muss die zurückkehrende Person alle notwendigen Reisedokumente beschaffen und medizinische Behandlungen abschließen. Außerdem muss sie die Arbeitsaufnahme in ihrem Herkunftsland vorbereiten, indem sie Qualifizierungsmaßnahmen absolviert (einschließlich Schulabschluss) und – sofern erforderlich – einen Geschäftsgründungsplan ausarbeitet. Bei der letzten Besprechung vor der Abreise lässt die beratende Person der zurückkehrenden die Flugbestätigung und praktische Informationen über die Reise zukommen.vii

Die zurückkehrende Person erhält auf den individuellen Bedarf abgestimmte finanzielle Hilfen, Die Rückkehrförderung erfolgt aus Mitteln der EU, des Bundes, der Bundesländer sowie der Landkreise und Kommunen. Bei der Rückkehrförderung wird zwischen Rückkehrhilfen und Hilfen zur Wiedereingliederung unterschieden. Rückkehrhilfen dienen zur Organisation der Ausreise (Reisekosten, Reisebeihilfe) und umfassen finanzielle

Anreize zur Rückkehr (Starthilfen). Hilfen zur Wiedereingliederung unterstützen die nachhaltige soziale und wirtschaftliche Wiedereingliederung in das Rückkehrland (Wohnkosten, medizinische Versorgung, Qualifizierung, Existenzgründung). Bei sozialer Bedürftigkeit oder Mittellosigkeit werden Reisekosten, Reisebeihilfen und Startgelder je nach Länderzugehörigkeit von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) übernommen. Meist erfolgt die Ausreise auf dem Luftweg. Eine Ausreise auf dem Landweg ist auch möglich, sofern die Visabestimmungen eingehalten werden. Für kranke Personen oder allein reisende Minderjährige ist unter Umständen eine Begleitung bis ins Herkunftsland erforderlich. In diesen Fällen unterstützt die IOM ebenfalls die Organisation einer begleiteten Rückkehr.viii

Unterstützung nach der Rückkehr ins Herkunftsland

Auch in ihrem Herkunftsland wird die zurückgekehrte Person nach Möglichkeit weiter beraten. In erster Linie geht es um einen erfolgreichen Aufbau einer beruflichen Existenz, damit sie selbstständig für ihren Lebensunterhalt sorgen kann. Wichtig ist, dass die Chancen optimal genutzt werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Bevölkerung vor Ort nicht schlechter gestellt wird. Deshalb bedarf es intensiver Zusammenarbeit mit Organisationen in Rückkehrländern, die die regionalen Besonderheiten am besten kennen. Ihre Mitarbeiter sind entsprechend zu schulen und ihre Tätigkeit zu refinanzieren.ix

i Vgl. Landeshauptstadt München, Sozialreferat [Hrsg.], Coming Home. Praxishandbuch Rückkehr- und Reintegrationsberatung, München 2018, II/1; vgl. https://www.bmi.bund.de/DE/themen/migration/rueckkehrpolitik/freiwillige-rueckkehr/freiwillige-rueckkehr-node.html (aufgerufen am 08.10.2024).

ii Vgl. EU-Rückkehrprojekt „Zweite Chance Heimat“, AGDW e.V. [Hrsg.], Methodische Grundlagen der Rückkehrberatung, Stuttgart 2019, 8.

iii Vgl. EU-Rückkehrprojekt „Zweite Chance Heimat“, AGDW e.V. [Hrsg.], Methodische Grundlagen der Rückkehrberatung, Stuttgart 2019, 10.

iv Zu diesen rechtlichen Grundlagen siehe Deutscher Caritasverband e. V., Abteilung Soziales und Gesundheit, Referat Migration und Integration [Hrsg.], Fluchtpunkte. Leitlinien für die Rückkehrberatung von Flüchtlingen und Geduldeten, Freiburg 2017, 8.

v Vgl. Deutscher Caritasverband e. V., Abteilung Soziales und Gesundheit, Referat Migration und Integration [Hrsg.], Fluchtpunkte. Leitlinien für die Rückkehrberatung von Flüchtlingen und Geduldeten, Freiburg 2017, 10.

vi Vgl. Landeshauptstadt München, Sozialreferat [Hrsg.], Coming Home. Praxishandbuch Rückkehr- und Reintegrationsberatung, München 2018, I/1.4-5; https://www.returningfromgermany.de/de/page/voluntary-return (aufgerufen am 08.10.2024).

vii Vgl. EU-Rückkehrprojekt „Zweite Chance Heimat“, AGDW e.V., [Hrsg.], Methodische Grundlagen der Rückkehrberatung, Stuttgart 2019, 11; https://www.returningfromgermany.de/de/page/voluntary-return (aufgerufen am 08.10.2024).

viii Vgl. EU-Rückkehrprojekt „Zweite Chance Heimat“, AGDW e.V. [Hrsg.], Methodische Grundlagen der Rückkehrberatung, Stuttgart 2019, 6.12. Zu den verschiedenen Rückkehr- und Wiedereingliederungsprogrammen siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/schwerpunkte/DE/freiwillige-rueckkehr/topthema-freiwillige-rueckkehr.html (aufgerufen am 08.10.2024).

ix Vgl. Deutscher Caritasverband e. V., Abteilung Soziales und Gesundheit, Referat Migration und Integration [Hrsg.], Fluchtpunkte. Leitlinien für die Rückkehrberatung von Flüchtlingen und Geduldeten, Freiburg 2017, 13.