Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen und hier aufgenommen werden, haben ein Recht auf Sozialleistungen. Sie sind nicht üppig bemessen, sollen aber ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Trotz der vergleichsweise geringen Höhe stehen die Sozialleistungen im Verdacht, auf Flüchtlinge anziehend zu wirken. Daher gibt es Bestrebungen, die Sozialleistungen zu senken. Richtig ist, dass es in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge keine oder nur sehr geringe Sozialleistungen gibt. Flüchtlinge ziehen durchaus einen Vergleich zu den Sozialleistungen in ihrem Heimatland und können die deutschen Sozialleistungen als vergleichsweise hoch empfinden, zumal sie auch in vielen EU-Ländern geringer bemessen sind. Hinzu kommt, dass manche Flüchtlinge durch Sozialbetrug zu höheren Sozialleistungen kommen, als ihnen eigentlich zustehen. Tatsächlich ist aber die Höhe der Sozialleistungen nicht der Hauptfaktor für die Wahl des Ziellandes. Entscheidend sind vielmehr die Perspektiven, die ein Flüchtling in einem Land sieht, und persönliche Beziehungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass eine Senkung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht einfach so möglich ist, weil das Existenzminimum gewahrt werden muss. Folglich muss die Verminderung der angenommenen Anziehungskraft der Sozialleistungen auf anderem Wege erfolgen. Einen solchen alternativen Weg stellt die Bezahlkarte dar. Von Anfang an umstritten war die Besserstellung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge durch die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II), mit der ganz eigene Rechte und Pflichten verbunden sind. Angestrebt wurde insbesondere eine schnelle Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt. Letztendlich ist die eigenständige Arbeit von Asylsuchenden und Bürgerkriegsflüchtlingen der nachhaltigste Weg, die Sozialsysteme zu entlasten.
Grundsicherung für Asylbewerber
Geflüchtete, die sich noch im Asylverfahren befinden bzw. deren Asylantrag abgelehnt wurde, besitzen eine Aufenthaltsgestattung bzw. Duldung. Diese Gruppe erhält Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Diese Leistungen gliedern sich in
– Grundleistungen
– Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die den Schulbedarf decken
– Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt, also ärztliche Behandlungen, Impfungen und Hilfeleistungen
– Sonstige Leistungen bei Vorliegen besonderer Umstände (z. B. Kosten für Pass, Dolmetscher, Integrationshelfer)
Die Grundleistungen gliedern sich wiederum in Leistungen für den „notwendigen Bedarf“ und in Leistungen für den „notwendigen persönlichen Bedarf“. Zum „notwendigen Bedarf“ gehören Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts. Die Leistungen für den „notwendigen persönlichen Bedarf“ dienen der Gewährleistung des sogenannten soziokulturellen Existenzminimums. Dazu gehören die Aufwendungen für Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Bildung, Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen und andere Waren und Dienstleistungen.
Weil sich Preise und Löhne stets verändern, werden auch die Geldbeträge für den notwendigen Bedarf und für den notwendigen persönlichen Bedarf jährlich angepasst. Darüber hinaus gibt es je nach Personengruppe (Alleinstehende oder Alleinerziehende; Paare; Erwachsene in einer stationären Einrichtung oder im Haushalt der Eltern; Jugendliche; Kinder; Kleinkinder) verschiedene Bedarfsstufen. In der Bedarfsstufe 1 für Alleinstehende oder Alleinerziehende beträgt der Geldbetrag (Stand 2024) monatlich 256 Euro für den notwendigen Bedarf und 204 Euro für den notwendigen persönlichen Bedarf, also insgesamt 460 Euro.i
Gesundheitsversorgung
Solange Geflüchtete in den Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, ist ihr Anspruch auf Gesundheitsversorgung eingeschränkt. Angesichts der Tatsache, dass das Gesundheitssystem in den Herkunftsländern der Geflüchteten oft schlechter als in Deutschland ist, ist das auch nachvollziehbar. Bei einer Gleichstellung Geflüchteter mit Deutschen kann der Vorwurf aufkommen, Geflüchtete würden in das Sozialsystem einwandern. Ein Ansatz, diesem Vorwurf zu begegnen, ist die verlängerte Einschränkung des Zugangs zu Gesundheitsleistungen.
Allerdings wird bezüglich dieses Ansatzes kritisch angemerkt, dass er das Recht auf Gesundheit, zu dem sich Deutschland unter anderem mit Ratifizierung des UN-Sozialpakts verpflichtet habe, klar einschränke. Die Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung seien zudem mit erheblichen Nachteilen verbunden, kurzfristig für die Geflüchteten, langfristig für das Gesundheitswesen insgesamt, wenn zu späte Behandlung hohe Kosten in der Notfallversorgung oder bei der Intensivbehandlung nach sich ziehe. Anstatt für Geflüchtete zusätzliche rechtliche Barrieren zu errichten, sollte der Zugang erleichtert werden, zum Beispiel durch niedrigschwellige Gesundheitsangebote in Flüchtlingsunterkünften, den Abbau administrativer Hürden durch die bundesweite Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und angemessene Angebote zur Verbesserung der Kenntnisse der deutschen Sprache. Bei einer Leistungseinschränkung würden die Sozialbehörden in der Bewilligung von Gesundheitsleistungen restriktiv von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch machen – auch bei besonders vulnerablen Geflüchteten, die beispielsweise als Folterüberlebende oder schwer psychisch erkrankte Personen gemäß EU-Aufnahmerichtlinie einen Anspruch auf die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe (z. B. eine geeignete psychologische Betreuung) hätten.ii
Sozialleistungen für Kriegsflüchtlinge
Gewöhnlich wird Kriegsflüchtlingen ein Aufenthaltsrecht für die Dauer des Krieges gewährt. Nach deren Anerkennung wird in einem vereinfachten Verfahren Bedürftigkeit, Erwerbsfähigkeit und mögliche Unterstützung durch Verwandte geprüft. Je nach Ergebnis der Prüfung wird Grundsicherung gewährt oder auch nicht. Völlig unabhängig von der Grundsicherung können sich Kriegsflüchtlinge eine Arbeit vermitteln lassen oder an Qualifizierungsmaßnahmen oder Sprachkursen teilnehmen.
In Deutschland hatten die ukrainischen Kriegsflüchtlinge ursprünglich Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz erhalten. Zuständig für die Gewährung der Leistungen war das Sozialamt. Mit einem Beschluss von Bund und Ländern und der folgenden Gesetzesänderung erhielten ab dem 1. Juni 2022 ukrainische Kriegsflüchtlinge Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II), und zwar ohne Vermögensprüfung und Feststellung der Bedürftigkeit. Mit der neuen Rechtsstellung waren ganz eigene Rechte und Pflichten verbunden.iii
Das SGB II enthält den Anspruch auf Bürgergeld, das etwa ein Fünftel höher ausfällt als das Bürgergeld. Wer Leistungen nach den SGB II erhält, hat eine Rechtsstellung inne, die auf einen dauerhaften Aufenthalt ausgerichtet ist und somit auch auf die Aufnahme einer möglichst dauerhaften Arbeit. Die Aufnahme einer Arbeit und Integration in das Arbeitsleben erfordert aber, dass zuvor dafür die Voraussetzungen geschaffen wurden. Zu diesem Zweck werden den Bürgergeld-Berechtigten Sprachkurse (auch für ausgewählte Berufe), psychologische Beratung, Unterstützung zur Anerkennung ausländischer Zeugnisse und Stellen angeboten. Asylbewerbern stehen diese Hilfen nicht zu, womit solche zwar geringere Leistungen erhalten, aber länger auf Unterstützung angewiesen sind. Damit gleichen sich die Kosten für den Staat aus.iv
Die Debatte um den Bezug von Bürgergeld seitens der ukrainischen Kriegsflüchtlinge entzündete sich an dem Vorwurf, diese würden durch das Anrecht auf Bürgergeld keinen Anreiz mehr haben, sich um eine Arbeit zu bemühen. Nun ist aber zu bedenken, dass ukrainische Flüchtlinge nicht über einen Kamm geschert werden können. Ein Teil der ukrainischen Kriegsflüchtlinge dürfte tatsächlich keinen oder nur einen geringen Anreiz haben. Einige reisen auch in die Heimat, um bezüglich ihres Hab und Guts nach dem Rechten zu sehen und Besuche zu machen. Viele ukrainische Kriegsflüchtlinge sprechen kein oder nur wenig Deutsch und müssen erst mal die nötigen Sprachkenntnisse erwerben, bevor sie eine Arbeit aufnehmen können. Andere ukrainische Kriegsflüchtlinge wiederum sind traumatisiert, so dass sie psychische Betreung brauchen und keiner Arbeit nachgehen können.
Die zwischenzeitliche Besserstellung ukrainischer Kriegsflüchtlinge wirft auch Fragen im Hinblick auf andere Bevölkerungsgruppen auf. Zunächst einmal ist mit Blick auf die Ukraine anzumerken, dass einerseits die Ukraine mit Waffen bei der Verteidigung gegen Russland unterstützt wird. Damit sollte man annehmen, dass auch dafür gesorgt wird, dass alle Wehrfähigen eingezogen werden oder sich anderweitig für ihr Land einbringen. Tatsächlich aber wird mit der besonderen Rechtsstellung der ukrainischen Flüchtlinge eine Kluft zwischen dem erbärmlichen Schicksal vieler Ukrainer in der Heimat und dem vergleichsweise guten Dasein ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland geschaffen. Eine Bedürftigkeitsprüfung erfolgt hinsichtlich des Bürgergeldes nicht, womit auch vergleichsweise gut betuchte ukrainische Flüchtlinge in dessen Genuss kommen.
Ukrainische Flüchtlinge, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland kommen, erhalten statt Bürgergeld nur noch Asylbewerberleistungen. Dabei erfolgt eine Vermögensprüfung zur Feststellung der Bedürftigkeit.
Bezahlkarte
Wer als Geflüchteter in Deutschland Schutz sucht und sich seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann, hat Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Solche Leistungen beziehen Personen, die ein Asylgesuch gestellt haben, aber über deren Antrag noch nicht entschieden wurde, und Personen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, die aber in Deutschland geduldet werden oder zur Ausreise verpflichtet sind (vgl. § 1 AsylbLG). Nicht festgeschrieben ist, in welcher Form die Leistungen gewährt werden. Die Gewährung kann in Form von Sachleistungen, Bargeld oder Wertgutscheinen geschehen. Mit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die am 16. Mai 2024 in Kraft trat, gibt es noch eine weitere Möglichkeit: die Bezahlkarte. Auf sie kann die Geldsumme, die Geflüchteten nach dem Gesetz zusteht, als Guthaben gebucht werden. Dabei spielt keine Rolle, wie die Geflüchteten untergebracht sind.v
Einige Bundesländer hatten die Bezahlkarte für Asylbewerber bereits auf Landesebene eingeführt, mit der Gesetzesänderung ist sie auch im Bundesrecht, genauer gesagt im Asylbewerberleistungsgesetz gesetzlich verankert. Die Länder sind allerdings weiterhin frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Bezahlkarte einführen und wie sie die Nutzung der Karte näher ausgestalten. Auch den zuständigen Behörden bleibt im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Möglichkeit, sich im Einzelfall gegen den Einsatz einer Bezahlkarte zu entscheiden.vi
Die Einführung der Geldkarte ist mit dem Ziel erfolgt, die hohe Zahl Asylsuchende mit Ziel Deutschland einzudämmen. Der Gedanke, der der Geldkarte zugrunde liegt, ist, dass die in Deutschland gewährten Sozialleistungen einen bedeutenden anziehenden Faktor („Pull-Faktor“) darstellten. Nun könnte man einfach die Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz senken. Das ist aber nicht einfach so möglich, weil das Bundesverfassungsgesetz deutlich gemacht hat, dass bei einer Absenkung das erforderliche Existenzminimum nicht gewahrt bliebe. Folglich muss die Verminderung der angenommenen Anziehungskraft der Sozialleistungen auf anderem Wege erfolgen. Einen solchen alternativen Weg stellt die Bezahlkarte dar.
Die Auszahlung von Geldzahlungen erfolgt ohne Bezahlkarte in bar. Bei Einführung einer Bezahlkarte entfällt die Barauszahlung. Das Geld wird jedoch nicht auf ein Konto überwiesen, sondern auf die Bezahlkarte geladen. In Deutschland haben zwar alle Menschen ein Recht auf ein Konto, mindestens auf ein Basiskonto, aber Geflüchtete, die sich erst kurze Zeit in Deutschland aufhalten, haben teils noch kein Konto bzw. Basiskonto. Mit einem Konto bzw. Basiskonto sind Bareinzahlungen und Barauszahlungen, Ausführung von Lastschriften, Überweisungen und Daueraufträge sowie Zahlungsvorgänge mittels einer Zahlungskarte möglich. Bei einem Basiskonto muss die Bank jedoch keinen Überziehungsrahmen anbieten.vii Das Konto bzw. Basiskonto ermöglicht dem Inhaber weitgehende Verfügungsgewalt über das Geld. Die Bezahlkarte, die wie eine Bankkarte aussieht, ist dagegen nicht an ein Konto bzw. Basiskonto gebunden und schränkt die Verfügung über das Geld ein.
Die Bezahlkarte kann von der für die Unterstützung der Geflüchteten zuständigen Behörde mit Guthaben aufgeladen, entladen oder sogar gesperrt werden. Es lässt sich beispielsweise einschränken, ob und wie viel Bargeld mit der Karte abgehoben werden darf. Oftmals werden auch Überweisungen verboten, vor allem ins Ausland. Eingrenzen lässt sich außerdem die Region, in der die Karte genutzt werden kann, oder die Art der Geschäfte und Waren, die Geflüchtete damit kaufen können. Die Verwaltung und flexible Einstellung der Bezahlkarten erfolgt seitens der Kommunen über ein Verwaltungsportal. Weil es sich um eine Mastercard auf Guthabenbasis handelt, ist eine Überziehung zu keinem Zeitpunkt möglich.viii
Die Bezahlkarte mit ihren flexiblen Einstellungsmöglichkeiten verringert den Verwaltungsaufwand, der bei der Ausgabe von Bargeld, Sachgütern oder Gutscheinen groß ist, und es entfällt das Schlangestehen seitens der Geflüchteten. Bezahlkarten sind zudem sicherer als Bargeld, das gestohlen werden kann. Eine Bezahlkarte kann dagegen nur von der innehabenden Person verwendet werden, weil sie mittels einer PIN-Nummer vor der Verwendung durch Unbefugte geschützt ist. Unter den Gesichtspunkten der Vereinfachung, Modernisierung und Sicherheit bietet die Bezahlkarte sicherlich Vorteile.ix
Mit der Geldkarte soll unterbunden werden, dass die Geflüchteten Geld in ihre Heimat und/oder an Schleuser (auch als „Schlepper“ bezeichnet) überweisen. Dieses Hauptargument für die Geldkarte steht jedoch auf tönernen Füßen, denn es gibt keinen Beleg dafür, dass tatsächlich nennenswerte Summen von dem Geld, das Asylsuchende erhalten, in die Heimat überwiesen werden. Erstens sind die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gezahlten Geldsummen für größere Überweisungen zu gering, zweitens lassen sich die angenommene nennenswerte Summe an Überweisungen nicht belegen. Es gibt keine Informationen darüber, wie hoch die Gesamtsumme der Überweisungen ist, die Asylsuchende mittels der Geldleistungen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz in einem bestimmten Jahr getätigt haben. Es ist auch unmöglich, eine präzise Berechnung zu erstellen, weil sich bei Geldüberweisungen nicht erschließen lässt, welche Geldquelle ihr zugrunde lag. Die Geldquelle wird bei Überweisungen nämlich nicht erfasst und der Verwendungszweck sagt nur etwas darüber aus, wofür das Geld bestimmt ist. Insofern kann es nur Berechnungen der Gesamtsumme geben, die Asylsuchende in ihre Heimat überweisen. Diese sagt jedoch nichts darüber aus, wie groß der Anteil ist, den Geldzahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz darstellen. Wenn von Überweisungen in die Heimat die Rede ist, dann von Überweisungen, die Migranten tätigen. Diese Rücküberweisungen sind beträchtlich und stellen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, der über der empfangenen Wirtschaftshilfe eines Staates liegen kann. Aber wohlgemerkt: Die Überweisungen von Asylsuchenden machen nur einen kleinen Teil dieser Überweisungen aus, die in erster Linie von Berufstätigen getätigt werden, die mit einem Teil von ihrem Lohn ihre Angehörigen in der Heimat unterstützen. Und wie groß der Anteil der Asylsuchenden genau ist, ist unbekannt.x
Inwiefern Sozialleistungen einen anziehenden Faktor („Pull-Faktor“) darstellen, ist umstritten. Angesichts der Tatsache, dass in vielen Herkunftsländern der Asylsuchenden keine ausgebauten Sozialsysteme existieren, können Sozialleistungen, die Deutschen gering erscheinen, von Asylsuchenden als durchaus beträchtlich empfunden werden. Asylsuchende ziehen eher einen Vergleich mit den Sozialleistungen ihrer Heimat, nicht zu den Sozialleistungen, die Deutsche erhalten. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass die Sozialleistungen den entscheidenden anziehenden Faktor darstellen. Ganz im Gegenteil: Alles weist darauf hin, dass bestehende persönliche Kontakte und die zu erwartenden Chancen privater und beruflicher Art, die ein Land bietet, bei der Auswahl des Ziellandes maßgeblich sind. Dabei sind aber Flüchtende nicht unbedingt darüber informiert, wie die Verhältnisse im Zielland tatsächlich sind. Oftmals sind die Kenntnisse vage und beruhen auf Hörensagen. Ein Land, in dem gegenüber Geflüchteten rigide Regeln herrschen, ist unattraktiv.xi
Von Kritikern der Bezahlkarte werden die Einschränkungen der Verfügbarkeit über das Geld, denen die Geflüchteten unterworfen werden, als Stigmatisierung gebrandmarkt. Wenn ein Geflüchteter an der Kasse bestimmte Produkte nicht bezahlen könne, werde sein Status als Flüchtling offenbar. Durch die vielen Möglichkeiten der Einschränkung der Bezahlkarte werde die soziale und kulturelle Teilhabe sowie die Integration der Geflüchteten behindert. Die Kombination von Arbeitsverboten und Einschränkung des Zugangs zu Bargeld könne zu einem Anstieg der Kriminalität führen – zum Beispiel mit dem Ziel der Bargeldbeschaffung.
Des Weiteren wird gegen die Geldkarte vorgebracht, dass sie mit einem zu großen Verwaltungsaufwand verbunden sei und somit zu hohe Kosten verursache. Mit der Bezahlkarte sind direkte und indirekte Kosten verbunden. Die direkten Kosten ergeben sich aus den Gebühren für die Finanzdienstleister und dem Aufwand bei der Verwaltung der Bezahlkarten. Zusätzlich können aber auch indirekte Kosten für die Betroffenen und für die Behörden entstehen, wenn die Integration durch die Bezahlkarte beeinträchtigt wird.xii
Letztendlich hängt die Bewertung der Bezahlkarte davon ab, wie sie eingestellt wird. Dies liegt in den Händen der Bundesländer. Diese haben sich mehrheitlich auf Mindeststandards geeinigt, die aber in erster Linie die Funktionsweise und nicht die genauen Einstellungen betreffen. Ob tatsächlich die erhofften oder befürchteten Wirkungen der Bezahlkarte eintreten, bleibt abzuwarten. Und schließlich sei noch angemerkt, dass die Kommunen nicht verpflichtet sind, die Bezahlkarte zu verwenden.
Der Spurwechsel
Es gibt zwei verschiedene Wege (Spuren), in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Der erste Weg ist die Arbeitsmigration, die eine ausreichende Qualifikation des Ausländers und einen ausreichenden Bedarf an Arbeitskräften und speziell Fachkräften in dem angestrebten Bereich des deutschen Arbeitsmarktes voraussetzt. Der zweite Weg ist der Asylantrag. Dieser zielt auf eine Aufnahme wegen Verfolgung oder sonstiger Gefahr für das Leben des Ausländers ab. Je nach individueller Gefährdungslage begründet ein anerkannter Asylantrag einen ganz spezifischen Schutzstatus. Dieser wird gewährt, ohne dass eine ausreichende Qualifikation oder ein Bedarf auf dem deutschen Arbeitsmarkt zur Voraussetzung gemacht wird.
Der Spurwechsel ermöglicht einem Asylbewerber, von einem humanitären Aufnahmegesuch zum wirtschaftlichen und damit die Spur zu wechseln : Wer arbeitet oder ein Jobangebot als Fachkraft hat und einen anerkannten Berufsabschluss vorweisen kann, kann den Asylantrag zurückziehen und eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Die Rücknahme des Asylantrags ist möglich, solange er noch nicht unanfechtbar abgelehnt worden ist. Sie kann also auch noch erfolgen, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bereits einen negativen Bescheid zugestellt hat.
Begründet wird die Regelung damit, dass Asylbewerber eine Aufenthaltsperspektive bekommen und sich besser integrieren. Der Spurwechsel helfe außerdem Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen. Und da der Aufenthalt daran geknüpft sei, dass Menschen arbeiten und ihren Lebensunterhalt sichern können, habe auch die Volkswirtschaft etwas davon. Wer arbeitet, zahle ja in Deutschland Steuern und Abgaben. Und schließlich würden die Behörden hinsichtlich Antragsbearbeitung und Verteilung in die Kommunen entlastet. Damit die Möglichkeit des Spurwechsels nicht dazu führt, dass mehr Menschen über das Asylsystem nach Deutschland kommen und einen Antrag stellen, hat man eine Stichtagsregelung gewählt. Der Spurwechsel soll nur für Menschen gelten, die bis zum 29. März 2023 einen Asylantrag gestellt haben. Er ist also nur für Personen möglich, die von dieser Regelung noch nichts wussten, als sie nach Deutschland gekommen sind.
Kritik wurde (seitens der Alternative für Deutschland / AfD) am Spurwechsel dahingehend geäußert, dass abgelehnte Asylbewerber durch ein spezifisches Jobangebot sowohl die Bedingungen der Asylgewährung als auch der Arbeitseinwanderung umgehen könnten.xiii
i Vgl. https://www.caritas-nrw.de/rechtinformationsdienst/leistungen-nach-dem-asylbewerberleistung#2.1 ; https://www.haufe.de/sozialwesen/sgb-office-professional/jung-asylblg-3-grundleistungen-2-rechtspraxis_idesk_PI434_HI16155235.html ; https://www.bmas.de/DE/Soziales/Sozialhilfe/LeistungenAsylbewerberleistungsgesetz/leistungssaetze-asylbewerberleistungsgesetz.html (jeweils aufgerufen am 19. Juni 2024).
ii Zur Kritik siehe DIW Wochenbericht 12 / 2024, 199-207; Stellungnahme der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) zum Referent*innenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Reform des Europäischen Asylsystems, Berlin, 21.10.2024.
iii Vgl. https://www.haufe.de/sozialwesen/sgb-recht-kommunal/welche-sozialleistungen-erhalten-gefluechtete-aus-der-ukraine_238_562962.html ; https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/grundsicherung-fuer-ukrainer-2028694 (jeweils aufgerufen am 17. Juni 2024).
iv Vgl. Roland Preuß, Die Geflohenen behandeln wie Asylbewerber? FDP und Union irren. Ukrainische Flüchtlinge: Bürgergeld, auch für sie, Süddeutsche Zeitung vom 19. Juni 2024.
v Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/arbeit-und-soziales/bezahlkarte-fluechtlinge-2263574 (aufgerufen am 23.08.2024).
vi Vgl. https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/24/1043/03.html;jsessionid=F930A9556C193676BF9CE96991A185B3.live541?nn=4352768#top-3 (aufgerufen am 23.08.2024).
vii Vgl. https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/Bank/Produkte/Basiskonto/basiskonto_node.html (aufgerufen am 23.08.2024).
viii Vgl. https://netzpolitik.org/2024/faq-was-bezahlkarten-fuer-gefluechtete-bedeuten/ ; https://paycenter.de/bezahlkarte/ ; https://bezahlkarte.info/verwaltung-kommunen/ (jeweils aufgerufen am 23.08.2024).
ix Vgl. https://www.haufe.de/oeffentlicher-dienst/digitalisierung-transformation/advertorial-bezahlkarten-fuer-gefluechtete_524786_608338.html (aufgerufen am 23.08.2024).
x Zum fehlenden Beleg siehe https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bezahlkarten-bundesregierung-weiss-nicht-wieviel-geld-asylsuchende-in-die-heimat-ueberweisen-a-0676bdd4-4da1-4036-9127-d37679cbf12e (aufgerufen am 10.08.2024).
xi Vgl. Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, Dokumentation, Push-und Pull-Faktoren in der Migrationsforschung, WD 1 – 3000 – 027/20.
xii Einen guten Überblick über die Kritikpunkte an der Geldkarte bieten Herbert Brücker, Eine Einschätzung der Bezahlkarte für Geflüchtete, BIM Policy Brief #2, April 2024; Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Schriftliche Stellungnahme Dr. Noa Kerstin Ha, Berlin, Ausschussdrucksache 20(11)472; https://jamila-schaefer.de/persoenliche-erklaerung-zur-bezahlkarte/ (aufgerufen am 10.08.2024).
xiii Vgl. https://mediendienst-integration.de/artikel/was-bringt-der-spurwechsel.html https://www.einwanderer.net/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/Spurwechsel.pdf (jeweils aufgerufen am 25.10.2024). Der „Spurwechsel“ ist im Jahr 2023 eingeführt worden und geht auf Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP) zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung – Drucksachen 20/6500, 20/6946, 20/7293 Nr. 1.3 – (Deutscher Bundestag, Drucksache 20/7394) zurück