Wenn Schutzsuchende über den Luftweg nach Deutschland einreisen, kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über ihren Asylantrag in einem Eilverfahren im Transitbereich des Flughafens entscheiden. Das geschieht, aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt und/oder keine gültigen Reisedokumente hat. Auch Grenzverfahren werden in Deutschland im Transitbereich an den Flughäfen durchgeführt.
Fiktion der Nichteinreise
Gemäß § 13 Abs. 1 AufenthG (= Aufenthaltsgesetz) ist Ausländern die Einreise grundsätzlich nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen gestattet. § 13 Abs. 2 S. 1 AufenthG bestimmt, dass an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ein Ausländer erst eingereist ist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Wenn ein Ausländer gelandet ist, hat er zwar die Grenze überschritten, aber noch nicht die Grenzübergangsstelle passiert. Er befindet sich also noch im Transitbereich des Flughafens.
Für Ausländer, die sich im Transitbereich eines Flughafens befinden, gilt die sogenannte Fiktion der Nichteinreise. Das heißt: Die Personen werden so behandelt, als wären sie noch nicht nach Deutschland bzw. in die Europäische Union eingereist. Sucht ein Ausländer, der aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt und/oder keine gültigen Reisedokumente hat, Schutz und stellt einen Asylantrag, dann gilt für ihn laut AsylG (= Asylgesetz) §18a ein besonderes Asylverfahren.i
Eilverfahren
Da das Flughafenverfahren unter dem sogenannten Unverzüglichkeitsgrundsatz steht, muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Antragsteller unverzüglich anhören und innerhalb von zwei Tagen über den Asylantrag entscheiden. Dabei hat das BAMF die Möglichkeit, den Antrag zu bewilligen, wodurch zugleich die Einreise durch die Bundespolizei gestattet wird, oder aber den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Im Falle einer Ablehnung kann die Bundespolizei die Einreise verweigern.
Eilrechtsschutz
Wird der Asylantrag abgelehnt, kann der Asylsuchende einen Eilrechtsschutz beantragen. Er erhält dann innerhalb von drei Tagen eine kostenlose Rechtsberatung durch einen unabhängigen Rechtsanwalt. Wenn das Verwaltungsgericht dem Eilantrag stattgibt oder innerhalb von 14 Tagen nicht darüber entschieden hat, darf der Asylsuchende einreisen. Damit hat das Flughafenverfahren eine mögliche Gesamtdauer von 19 Tagen.
Bis zur endgültigen Entscheidung muss der Asylsuchende allerdings im Transitbereich des Flughafens bleiben. Im Falle einer Ablehnung wird er dann entweder zu seinem Abflugort oder in sein Herkunftsland zurückgeschickt. Das Flughafenverfahren wird nur an Flughäfen umgesetzt, die Asylsuchende auf dem Flughafengelände unterbringen können.ii
Der Flughafenverband ADV macht deutlich, dass seitens der Flughäfen bereits heute Gebäude und Flächen bereitgestellt würden. Weitere Flächen zur Unterbringung von Asylbewerbern stünden jedoch nicht in beliebigem Umfang und mit der benötigten Ausstattung an den Flughäfen zur Verfügung. Neue behördliche Anforderungen an die Infrastruktur dürften in keinem Fall die Stabilität und Zuverlässigkeit des Flughafenbetriebs beeinträchtigen. Aufgrund fehlender Flächen seien weitere Gewahrsamsräume innerhalb und in unmittelbarer Umgebung der Transitbereiche der Flughäfen nicht realisierbar. Die Finanzierung der erforderlichen Flächen und Einrichtungen müsse durch Landes- bzw.
Bundesbehörden erfolgen. Flughäfen könnten keine finanzielle Verantwortung zur Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber übernehmen – auch keine Vorfinanzierung von zu errichtenden Infrastrukturen.iii
Kritik am Flughafenverfahren
Kritiker bemängeln, dass das Flughafenverfahren zu einer deutlich höheren Ablehnungsquote, zu einer mangelnden Aufklärung der Fluchtgründe und zu Fehlentscheidungen führe. Besonders ungeeignet sei ein solches Schnellverfahren für traumatisierte Menschen, Minderjährige und ältere Menschen sowie andere vulnerable Schutzsuchende.
Entgegen verbreiteter Annahme sei für die Betroffenen der Aufenthalt am Flughafen generell nicht kurz, sondern könne sich nach Ablehnung des Asylantrags noch über Monate erstrecken. Trotz des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) verzögere sich in der Praxis der Rücktransport z.B. wegen Abspracheproblemen zwischen Bundespolizei und Fluggesellschaft. Der lange Freiheitsentzug am Flughafen wirke sich stark und oft (re)traumatisierend auf die Betroffenen aus, unter denen regelmäßig auch Familien mit Kindern seien.iv
Das Grenzverfahren ersetzt das Flughafenverfahren
Das bisherige sogenannte Flughafenverfahren wird durch das Grenzverfahren gemäß der Asylverfahrensverordnung ersetzt und umfasst so alle EU-Außengrenzen Deutschlands (so die Neufassung des § 18a AsylG). Neben den Flughäfen sind dies auch die Seehäfen.v
Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe merkt an, dass die wenigsten der 51 Häfen mit Grenzübergangsstellen Passagierverbindungen ins Nicht-EU-Ausland bedienen. Die Anzahl illegaler Einreisen an deutschen Seehäfen dürfte nur einen Bruchteil aller illegalen Einreisen darstellen. Eine Verpflichtung aller Häfen, Unterkünfte zur Unterbringung von Ausländern zu errichten, scheine weder zielführend noch verhältnismäßig.vi
i Vgl. https://mediendienst-integration.de/migration/flucht-asyl/asylrecht.html#c4979 (aufgerufen am 21.10.2024); Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand, Zur Fiktion der Nichteinreise nach § 13 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz und zum Flughafenverfahren nach § 18a Asylgesetz, WD 3 – 3000 – 255/18.
ii Vgl. https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/Sonderverfahren/Flughafenverfahren/flughafenverfahren-node.html (aufgerufen am 21.10.2024); Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Hrsg.], Das deutsche Asylverfahren- ausführlich erklärt: Zuständigkeiten, Verfahren, Statistiken, Rechtsfolgen, Paderborn 2014, 11-12.
iii Vgl. Stellungnahme des Flughafenverbands ADV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, Berlin, den 21. Oktober 2024.
iv Vgl. Förderverein PRO ASYL e.V.[Hrsg.], Abgelehnt im Niemandsland. Vom Flughafenverfahren zum »New Pact on Migration and Asylum« – Warum Asylgrenzverfahren unfair und mangelhaft sind, Frankfurt 2021.
v Vgl. PRO Asyl, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, Frankfurt am Main, 21.10.2024.
vi Vgl. Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe, Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Inneren für ein Gesetz zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vom 11. Oktober 2024 (GEAS-Anpassungsgesetz).