Jeder Staat hat das Recht, Ausländer zum eigenen Staatsgebiet zuzulassen oder abzuweisen. Dieses Recht wird als Ausdruck der staatlichen Souveränität begriffen.i Diesem Grundsatz entsprechend benennt § 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (= Aufenthaltsgesetz) die „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“ als Zweck des Aufenthaltsgesetzes.

Dabei ist zwischen der Wirtschaftsmigration und Fluchtmigration zu unterscheiden. Ob einem Migranten ein Anspruch auf die Verleihung eines Schutzstatus zusteht, muss geprüft werden. Diese Prüfung ist nicht einfach und bedarf eines klar definierten Verfahrens und umfassender Sachkenntnis der Prüfenden. Die Prüfung darf sich nicht an einer zahlenmäßigen Obergrenze ausrichten, sondern muss allein die Schutzbedürftigkeit in den Blick nehmen. Hier liegt ein ganz entscheidendes Problem: Blickt man allein auf die Schutzbedürftigkeit, dann sind der Aufnahme von Schutzsuchenden keine Grenzen gesetzt. Bestimmungen des Völkerrechts und der Menschenrechte verbieten es, schutzbedürftige Menschen abzuweisen, weil eine bestimmte mengenmäßige Grenze überschritten ist. Werden aber keine Grenzen gesetzt, dann besteht die Gefahr, dass der Staat überlastet wird, keine ausreichende Integration mehr möglich ist und die Akzeptanz der Aufnahme von Schutzsuchenden in der Bevölkerung an Akzeptanz verliert. Es muss nach Lösungen für dieses Problem gesucht werden. Die Abweisung von schutzbedürftigen Menschen ist keine Lösung für dieses Problem.

Verpflichtung zur Meldung

Für alle in Deutschland ankommenden Asylsuchenden gilt: Sie müssen sich unmittelbar bei oder nach ihrer Ankunft bei einer staatlichen Stelle melden. Dies kann schon an der Grenze oder später im Inland geschehen. Wer sich bereits bei der Einreise als asylsuchend meldet, wendet sich an die Grenzbehörde. Sie leitet Asylsuchende dann an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung weiter. Wer sein Asylgesuch erst im Inland äußert, kann sich hierzu bei einer Sicherheitsbehörde (zum Beispiel der Polizei), einer Ausländerbehörde, bei einer Aufnahmeeinrichtung oder direkt bei einem Ankunftszentrum oder einer AnkER-Einrichtung melden.ii

Häufig kommen Asylsuchende nicht direkt aus ihren Heimatländern nach Deutschland, sondern haben zuvor bereits andere Länder passiert, möchten in diesen aber nicht bleiben und reisen weiter nach Deutschland. In Deutschland begeben sie sich zu einer Dienststelle der Bundespolizei, um einen Asylantrag zu stellen, obwohl manche bereits zuvor einen solchen in einem anderen EU-Land gestellt haben. Rechtlich gesehen handelt es sich bei ihnen um Personen, die das Bundesgebiet ohne gültigen Aufenthaltstitel betreten haben. Weil die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt strafbar sind, sind sie einer Straftat verdächtig. Wenn sie nun in einer Dienststelle der Bundespolizei erscheinen, stellen sie sich selbst, allerdings nicht um eine Straftat zu gestehen, sondern weil sie Asyl beantragen wollen. Meinst melden sie sich mit den Worten „I’m new“. Meist ist dies der einzige Satz, der in englischer Sprache mitgeteilt werden kann, aber aufgrund ihrer Erfahrung wissen die Polizisten, was zu tun ist. Dass die Selbststeller wissen, was sie zu tun haben, liegt oft daran, dass sie zuvor von Schleusern instruiert worden sind. Allerdings ist für diese Selbststeller eigentlich die Landespolizei zuständig, weil die Einreise ins Bundesgebiet zeitlich nicht unmittelbar zuvor erfolgt ist und weil sie sich nicht bei einer Dienststelle innerhalb des 30-Kilometer-Grenzbereichs melden. Das ist den Asylsuchenden aber meist nicht bekannt. Weil die Bundespolizei aber über eine gewisse Expertise in ausländerrechtlichen Fragen besitzt, werden die weiteren strafprozessualen Maßnahmen durch die Bundespolizei durchgeführt, in Abstimmung mit der zuständigen Landespolizei. Nach Abschluss aller polizeilichen Maßnahmen müssen sich die Selbststeller wie alle aufgegriffenen Geflüchteten zu einer Erstaufnahmeeinrichtung begeben.iii

Registrierung der Asylsuchenden

Alle Personen, die sich in Deutschland als asylsuchend melden, werden von einer dazu befugten Behörde (Bundespolizei, Landespolizei, Aufnahmeeinrichtung, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / BAMF oder Ausländerbehörde) registriert.

Alle Asylsuchenden werden fotografiert, von Personen ab dem 6. Lebensjahr werden zusätzlich Fingerabdrücke abgenommen. Außerdem werden die Asylsuchenden nach Ihrem Namen, Ihrem Geburtsdatum, Ihrem Herkunftsland und vielleicht auch schon nach ihrem Reiseweg gefragt.

Die aufgenommenen Daten werden zentral im sogenannten Ausländerzentralregister gespeichert. Zugriff auf diese Daten haben später alle öffentlichen Stellen in dem Umfang, den sie für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche benötigen. Die neu aufgenommenen Daten werden mit bereits vorhandenen Daten des Ausländerzentralregisters sowie den Daten des Bundeskriminalamtes abgeglichen. Unter Anderem wird überprüft, ob es sich um einen Erstantrag, einen Folgeantrag oder möglicherweise einen Mehrfachantrag handelt. Mit Hilfe eines europaweiten Systems (EURODAC) wird außerdem ermittelt, ob ein anderer europäischer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein könnte.

Nach der Registrierung erhalten die Asylsuchenden einen sogenannten Ankunftsnachweis. Sie müssen ihn immer bei sich tragen, denn mit ihm können sie den Behörden nachweisen, dass sie sich für eine bestimmte Zeit in Deutschland aufhalten dürfen. Wichtig ist auch, dass er dazu berechtigt, staatliche Leistungen zu beziehen, wie etwa Unterbringung, medizinische Versorgung und Verpflegung.iv

Die Aufenthaltsgestattung ist räumlich auf den Bezirk beschränkt (Residenzpflicht),

in dem sich die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung befindet. Personen mit geringer Bleibeperspektive sind verpflichtet, bis zur Entscheidung in den Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen. Wird ihr Asylantrag abgelehnt, gilt diese Wohnverpflichtung bis zu ihrer Ausreise. Während dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten und das in ihrer Aufenthaltsgestattung genannte Gebiet nur dann vorübergehend verlassen, wenn sie dafür eine Erlaubnis vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten.

Feststellung der Identität

Wer in Deutschland Asyl sucht, ist verpflichtet, seine Identität nachzuweisen. Die Kenntnis der Identität der Menschen, die nach Deutschland einreisen und die sich bereits in Deutschland aufhalten, ist nicht nur ein zentraler Aspekt für die Durchführung des Asylverfahrens, sondern auch für die innere Sicherheit. Das gesamte Rechtssystem basiert darauf, dass die Identität einer Person eindeutig feststeht.v Insofern soll an dieser Stelle unter die Lupe genommen werden, wie die Feststellung der Identität erfolgt und welche Rechtsfragen sich dabei ergeben.

Bei der Feststellung der Identität können Asylbewerber einen echten Reisepass vorlegen. Dann ist die Feststellung der Identität einfach. Erschwert wird die Feststellung der Identität, wenn der Asylbewerber aus irgendeinem Grund keinen Pass mehr hat, sondern nur andere Dokumente wie. z. B. eine Heiratsurkunde mit nur begrenzten personenbezogenen Daten vorweisen kann. Problematisch wird es, wenn der Reisepass oder andere Dokumente gefälscht sind. Eine Fälschung dient der Vortäuschung einer anderen Identität, die verschiedene Beweggründe haben kann. Ein Beweggrund ist, dass der Asylbewerber versuchen kann, sich bessere Chancen auf Asyl zu verschaffen. Während der Flüchtlingskrise 2015 gaben sich viele Flüchtlinge als Syrer aus, weil Syrer aufgrund der allgemein bekannten katastrophalen Lage in ihrem Land überzeugend ihre Verfolgungssituation oder Lebensgefahr vermitteln konnten. Ein anderer Beweggrund kann sein, dass sich ein Asylbewerber mehrere Identitäten zu schaffen sucht, um in mehreren Ländern einen Asylantrag stellen zu können und auch mehrfach soziale Hilfen zu erlangen.Und schließlich kann die Vortäuschung einer anderen Identität dazu dienen, Straftaten zu verbergen oder durchzuführen. Und schließlich ist auch möglich, dass ein Asylbewerber aus irgendeinem Grund überhaupt keinen Identitätsnachweis vorlegen kann.

Zur Feststellung der Identität werden alle Dokumente einbehalten, die der Antragsteller bei sich führt. Dabei werden sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mittels physikalisch-technischer Urkundenuntersuchungen (PTU) auf Echtheit überprüft. Darüber hinaus werden auch andere Beweismittel wie Haftpapiere oder Gerichtsurteile auf Echtheit geprüft.

Wenn die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit innerhalb einer angemessenen Zeit objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar ist, kann sie durch Abgabe einer Versicherung an Eides Statt geklärt werden. Diese Möglichkeit sahen die Regierungsparteien SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag für die 20. Wahlperiode (2021-2025) vor, jedoch kam es zu keiner rechtlichen Umsetzung.

Die Feststellung der Identität kann sehr aufwändig sein und einem möglichst zügigen Asylverfahren entgegenstehen. Es ist leicht, eine Verkürzung von Asylverfahren zu fordern, aber schwer, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Schließlich müssen Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien ablaufen. Man kann natürlich mehr Personal für die Bearbeitung von Asylverfahren fordern. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es jedoch schwierig, Personal mit der entsprechenden Ausbildung zu finden. Auch können nicht ohne weiteres die nötigen Fachkräfte ausgebildet werden. Angesichts des Personalmangels kann ein weiterer Lösungsweg sein, das Wissen des vorhandenen Personals in bestimmten Kammern oder Abteilungen von Gerichten oder Behörden so zu bündeln, dass ein möglichst reibungsloser Informationsfluss gewährleistet ist.

Möglich ist auch der Einsatz von Computerprogrammen, insbesondere bei der Identitätsprüfung. So kann ein automatischer biometrischer Bildabgleich erfolgen, der alle Antragsteller betrifft. Als Ergänzung zu bereits vorher etablierten Fingerabdrücken sollen die biometrischen Lichtbilder Mehrfachregistrierungen erschweren. Die Bilder werden im Elektronischen Aufenthaltstitel gespeichert und sind ebenso im Ausländerzentralregister hinterlegt, auf das eine Vielzahl von Behörden Zugriff hat – von Gesundheitsämtern über Geheimdienste bis hin zu Jobcentern. Nur einen Teil der Antragsteller betreffen der Transliterationsassistent (TraLiTa) und Sprachanalyse-Software, darüber hinaus eine Software zum Auslesen von Handydaten. Der Transliterationsassistent kommt bei arabischsprachigen Antragstellern zum Einsatz und soll zwei Aufgaben erfüllen: Zunächst einmal sollen Namen in arabischen Schriftzeichen einheitlich in lateinische Buchstaben übertragen werden. Zuvor hing die Schreibweise oft von den Gewohnheiten der Dolmetscher ab., die die Namen eingaben, denn für die Übertragung existieren mehrere verschiedene Normen. So konnte ein Asylbewerber unter verschiedenen Schreibweisen erfasst sein, was zu Unsicherheiten und Widersprüchen hinsichtlich der Identität bis hin zu Mehrfach-Identitäten führen kann. Darüber hinaus soll der Transliterationsassistent angesichts der Häufigkeit eines Namens im angegebenen Herkunftsland und in anderen Ländern Hinweise auf die tatsächliche Herkunft des Asylbewerbers liefern. Letztere Aufgabe hat auch die Sprachanalyse-Software, die den Dialekt eines Asylbewerbers analysieren und einem Land zuordnen soll. Bei der Anwendung der Programme und bei der Deutung der Ergebnisse können jedoch Fehler gemacht werden. So können beispielsweise Asylbewerber einer Dialektanalyse in Arabisch unterzogen werden, obwohl sie aus einem Land kommen, in dem kein Arabisch gesprochen wird. Oder die Muttersprache des Asylbewerbers kommt gar nicht im Sprachrepertoire der Software vor. Eine falsche Deutung der Ergebnisse kann dann zu einem „offensichtlich unbegründeten“ Asylantrag führen.vi

Vorgaben der EU zu Aufnahmebedingungen, Asylverfahren und Umgang mit Schutzsuchenden

Im Bemühen, die Asylverfahren und die Schutz- und Anerkennungskriterien europaweit zu vereinheitlichen, hat die Europäische Union (EU) im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen, die Verfahrensrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie erlassen.

Die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen (RL 2013/33/EU) vom 26. Juni 2013 soll eine angemessene und menschenwürdige Behandlung der Antragsteller und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten der EU sicherstellen. Ferner soll sie – im Verbund mit den Regelungen, welcher EU-Staat für die Bearbeitung des jeweiligen Asylantrags zuständig ist – „Asyl-Shopping“, bei dem Asylbewerber ihren Antrag in dem Land mit den höchsten Schutzstandards stellen, verhindern. Zu diesem Zwecke regelt sie Unterkunft, Verpflegung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung sowie medizinische und psychologische Versorgung.

Die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) vom 26. Juni 2013 enthält Mindestregelungen hinsichtlich des gesamten Asylverfahrens von der Antragstellung bis zur Rechtsmitteleinlegung. Darin sind rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze wie z. B. das Recht auf persönliche Anhörung und die Unterstützung durch einen Dolmetscher, eingeschlossen. Die Asylverfahrensrichtlinie soll in der gesamten EU eine schnellere und gerechtere Asylentscheidung gewährleisten. In ihr sind auch die Konzepte des sicheren Herkunftsstaates und des sicheren (europäischen) Drittstaates enthalten. Als sicherer Herkunftsstaat werden Länder angesehen, von denen aufgrund des demokratischen Systems und der allgemeinen politischen Lage davon ausgegangen werden kann, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann.

Die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) – auch Anerkennungsrichtlinie genannt – vom 13. Dezember 2011 zielt auf die Vereinheitlichung des Umgangs mit Schutzsuchenden ab. Dabei führt sie neben dem Flüchtlingsschutz, wie er sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergibt, einen subsidiären Schutz ein. Dieser greift für Schutzsuchende, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz bilden zusammen den sogenannten internationalen Schutz für Geflüchtete. Die Qualifikationsrichtlinie enthält Mindestnormen für die Zu- und Aberkennung des Flüchtlingsstatus sowie des subsidiären Schutzstatus und die im Falle der Verleihung eines der beiden Schutzstatus zu gewährenden Rechte. Sie soll durch präzisere Regelungen eine Angleichung aller Personen mit internationalem Schutzstatus im Hinblick auf den Zugang zu Beschäftigung, Gesundheitsvorsorge und Integrationsmaßnahmen sowie durch die stärkere Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Personengruppen eine höhere Qualität der Entscheidungen hervorbringen und sicherstellen, dass Schutzsuchende europaweit gleich und gerecht behandelt werden.vii

Die Asylantragstellung und die persönliche Anhörung

Von dem Asylgesuch ist der Asylantrag zu unterscheiden, der formell nur beim dafür zuständigen BAMF gestellt werden kann. Dabei müssen die Asylbewerber persönlich bei einer Außenstelle des BAMF erscheinen, sofern sie nicht minderjährig sind und es ihnen gesundheitlich möglich ist. Das BAMF prüft dann den Asylantrag, wobei der Ablauf der Prüfung verbindlich festgelegt ist.

Falls nicht bei der Registrierung schon geschehen, werden bei der persönlichen Antragstellung die persönlichen Daten erfasst. Die Antragsteller werden über ihre Rechte und Pflichten innerhalb des Asylverfahrens aufgeklärt und erhalten alle wichtigen Informationen auch schriftlich. Dabei stellt sich das Problem, dass die Antragsteller gewöhnlich nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Daher müssen die mündlichen und schriftlichen Informationen übersetzt werden.

Die persönliche Anhörung ist der wichtigste Termin des Asylverfahrens. Die Entscheidung über den Asylantrag richtet sich im Wesentlichen nach dem Ergebnis der Anhörung. Bei der Anhörung, die nicht öffentlich ist, müssen die Schutzsuchenden alle Tatsachen vortragen, die ihre Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines drohenden ernsthaften Schadens begründen. Dazu gehören auch Angaben zu den Wohnsitzen, dem Reiseweg, den Aufenthalten in anderen Staaten und darüber, ob die Schutzsuchenden bereits in anderen Staaten ein Verfahren mit dem Ziel der Zuerkennung internationalen Schutzes betrieben haben. Alle Schutzsuchenden sollten eine ausführliche Anhörungsvorbereitung bei einem spezialisierten Asylrechtsanwalt oder bei einer Asylberatung in Anspruch nehmen. Oftmals gehen Schutzsuchende jedoch unvorbereitet in die Anhörung, was sich mit mangelnden oder widersprüchlichen Informationen seitens des BAMF und Verständnisschwierigkeiten erklärt. Für die Durchführung der Anhörung sind die sogenannten Entscheider zuständig. Anwesend sind auch eine dolmetschende Person und manchmal auch ein Rechtsanwalt und ein Vertreter des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR).

Ein Kapitel für sich ist das Übersetzen und Dolmetschen. Im Optimalfall erfolgt die Übersetzung der Informationen und das Dolmetschen in die bzw. in der Muttersprache des Schutzsuchenden. Allerdings liegen die Informationen nicht immer in der Muttersprache vor und es sind nicht immer Personen vorhanden, die sie beherrschen. Folglich erfolgt die Übermittlung der Informationen auch in einer Sprache, von der angenommen wird, dass sie der Antragsteller versteht. Bei der Anhörung haben die Schutzsuchenden Anspruch auf eine dolmetschende Person, die die Muttersprache und auch den gesprochenen Dialekt beherrscht. Angesichts der hohen sprachlichen Ansprüche im Rahmen des Asylverfahrens und der vergleichsweise bescheidenen Löhne fällt es dem BAMF schwer, geeignete Dolmetscher und Übersetzer zu finden. Diejenigen, die zum Einsatz kommen, sind daher oftmals keine ausgebildeten Dolmetscher und Übersetzer, so dass die Übertragung in die geforderte Sprache nicht immer höheren Ansprüchen genügt. Erschwerend kommt hinzu, dass eine gute Übersetzung auch der Kenntnisse der Kultur, Gesellschaftsordnung und Staatsorganisation des Herkunftslandes bedarf.

Die Schutzsuchenden sind verpflichtet, richtige und vollständige Aussagen zu machen. Falsche und unvollständige Aussagen können mit dem Versuch, die Entscheider zu täuschen, mit Verständnisschwierigkeiten oder auch mit Traumatisierung zu erklären sein. Traumatisierte Schutzsuchende sind in der Anhörungssituation oft nicht in der Lage, die traumatisierenden Ereignisse vollständig und detailreich zu schildern.

Auch wenn Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland stammen, unterscheidet sich die persönliche Anhörung nicht von Anhörungen bei anderen Herkunftsländern. Auch die Schutzgewährung ist keinesfalls ausgeschlossen. Es gilt aber zunächst die sogenannte Regelvermutung, dass keine Verfolgung vorliegt. Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten können jedoch versuchen nachzuweisen, dass ihnen dennoch Verfolgung droht. Ist dieser Nachweis erfolgreich, können sie ihren Anspruch auf Asyl geltend machen. Wird der Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, sind die Rechtsbehelfsfristen verkürzt, was zur Verfahrensbeschleunigung führt.

Von der Anhörung muss eine Niederschrift angefertigt werden, die die wesentlichen Angaben enthält. Diese Niederschrift wird in deutscher Sprache verfasst und in die Sprache des Schutzsuchenden übersetzt. Mit der Unterschrift bestätigt der Schutzsuchende, dass die Niederschrift korrekt ist und die Verständigung mit dem Dolmetscher gut geklappt hat.viii

Dauer der Asylverfahren

Die Gesamtverfahrensdauer der Erst- und Folgeanträge für das gesamte Bundesgebiet betrug im Zeitraum Januar bis August 2023 6,6 Monate.ix In dieser Zeit können sich die persönlichen Umstände des Antragstellers gravierend ändern.

Familienasyl und Familiennachzug

Für Mitglieder einer Familie gilt das Familienasyl, das in § 26 AsylG geregelt ist. Das heißt, wurde eine sogenannte stammberechtigte Person (= Person, zu der die Familienangehörigen nachgezogen sind) als asylberechtigt anerkannt, erhalten deren in Deutschland aufhältige Familienmitglieder (Ehegattin, Ehegatte, Kinder) auf Antrag ebenfalls Asyl. Voraussetzung für Familienasyl ist, dass die Familie bereits im Herkunftsland existierte. Europarechtlich ist Familienasyl zwar nicht verpflichtend vorgesehen, aber es ist möglich, dass die Mitgliedstaaten diese Regelung beibehalten, um unnötige Verfahrensdoppelungen zu vermeiden und Familien zu schützen. Das Familienasyl entlastet also das BAMF, das die Asylverfahren durchführt. Zu einer von der stammberechtigten Person unabhängigen Prüfung kommt es erst dann, wenn diese ihre Flüchtlingseigenschaft verliert oder wenn die Familieneigenschaft durch Scheidung oder Tod wegfällt (§ 73a AsylG).

Menschen, denen die Asylberechtigung beziehungsweise die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, haben das Recht auf privilegierten Familiennachzug: Dieser umfasst den Ehegattinnen-, Ehegatten- sowie Kindernachzug.x

i Vgl. Marie Holst, Visa für Schutzsuchende: extraterritoriale Migrationssteuerung im Lichte der Menschenrechte, Baden-Baden 2022, 34 mit Verweis auf verschiedene Gerichtsurteile, Deklarationen und Rechtskommentare.

ii Vgl. https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/AnkunftRegistrierung/ankunftregistrierung-node.html (aufgerufen am 22.02.2024).

iii Vgl. Anne Venus-Awartani, „I’m new“: Mehr Asylsuchende im Inland, BUNDESPOLIZEI kompakt 50/2 (2023), 24-25.

iv Vgl. https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/AnkunftRegistrierung/ankunftregistrierung-node.html ; https://www.bmi.bund.de/DE/themen/migration/asyl-fluechtlingsschutz/asyl-fluechtlingspolitik/asyl-fluechtlingspolitik-node.html;jsessionid=20599600FF3CAD3D3ADA85EA2A66511E.live871#doc9392670bodyText1 ; https://handbookgermany.de/de/registration-for-asylumseekers (jeweils aufgerufen am 22.02.2024).

v Zur Bedeutung des Identitätsnachweises siehe Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 20/2218 – Identitätsklärung im Zusammenhang mit Migration und Integration, Drucksache 20/2496.

vi Vgl. Anna Biselli, Automatisierte Identitätsprüfung. Im BAMF urteilen zunehmend Computer über Geflüchtete, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 118/119 (2019), 87-92.

vii Vgl. Nora Schmidt, Extraterritoriale Asylverfahrensstandorte. Neue Wege in der Europäischen Flüchtlingspolitik (Europäische Hochschulschriften Recht 6107), Berlin 2019, 132-139.

viii Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Hrsg.], Ablauf des deutschen Asylverfahrens: Ein Überblick über die einzelnen Verfahrensschritte und rechtlichen Grundlagen, Nürnberg, 4. aktual. Fassung 2023, 14-20; https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=31 ; Petra Haubner, Maria Kalin, Einführung in das Asylrecht: Asylverfahren – Asylgerichtsverfahren – Materielles Recht, Baden-Baden 2017, 56-73. Zu Asylverfahren bei Herkunft aus sicheren Herkunftsstaaten siehe https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/Sonderverfahren/SichereHerkunftsstaaten/sichereherkunftsstaaten-node.html (aufgerufen am 06.01.2025).

ix Vgl. https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2023/230907-asylgeschaeftsstatistik-august-2023.html (aufgerufen am 14.11.2024).

x Vgl. https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/FamilienasylFamiliennachzug/familienasylfamiliennachzug-node.html ; https://www.juraforum.de/news/bverwg-stellt-klar-familienasyl-erfordert-existenz-der-familie-im-herkunftsland_259403 (jeweils aufgerufen am 12.01.2025); Stellungnahme der Diakonie Deutschland zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems; Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbandes zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 11.10.2024) und dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AZRG und weiterer Gesetze in Folge der Anpassung des nationalen Rechts an das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat vom 18.09.2024), Berlin, 21.10.2024. Zum Europarecht siehe Gemeinsame Stellungnahme von Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (BuMF), Kindernothilfe e.V. und Terre des Hommes Deutschland e.V. zu den Entwürfen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS-Anpassungsgesetz und Anpassungsfolgegesetz), Berlin, 21.10.2024.