Bei der Entstehung ungewollter Schwangerschaften spielen soziale Faktoren eine große Rolle. Belastende Lebensumstände liegen beim Eintritt von ungewollten Schwangerschaften deutlich häufiger vor als beim Eintritt von ungewollten Schwangerschaften. Häufig ist die berufliche und/oder finanzielle Situation wenig geeignet, um ein Kind zu bekommen. Auch gesundheitliche Probleme und eine schwierige oder fehlende Partnerschaft werden oft vorgebracht. Des Weiteren spielen bei ungewollten Schwangerschaften ein zu geringes Alter, eine unzureichende Wohnsituation oder auch eine starke Belastung durch die Betreuung und Pflege vorhandener Kinder oder anderer Angehöriger eine Rolle.i
Bei der Entscheidung, eine ungewollte Schwangerschaft fortzuführen oder nicht, spielen Bildung und Ausbildungs-, Berufs- und Karriereperspektiven ebenso eine große Rolle wie materielle Aspekte. Zum einen muss es also darum gehen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, zum anderen darf ein Kind keine zu großen finanziellen Nachteile oder gar eine finanzielle Existenzbedrohung mit sich bringen. Das muss auch gelten, wenn sich die Mutter oder der Vater dazu entscheidet, in den ersten Lebensjahren des Kindes die außerhäusliche Arbeit aufzugeben oder hintanzustellen. All dies ist das Ziel verschiedener finanzieller und materieller Hilfen.
Finanzielle und materielle Gründe für einen Schwangerschaftskonflikt
Die Gründe für einen Schwangerschaftskonflikt sind vielgestaltig. Grundsätzlich lässt sich ein Schwangerschaftskonflikt mit Verhütungsmitteln verhindern. Allerdings kann es zu Verhütungspannen kommen, denn kein Verhütungsmittel ist hundertprozentig sicher. Auch erfolgt der Geschlechtsverkehr manchmal ohne Verhütung, selbst wenn kein Kind gewünscht ist und die Frau schwanger werden kann.
Wenn es zu einer Schwangerschaft kommt, kann es verschiedene Gründe geben, weshalb ein Kind unerwünscht ist. Ein häufiger Grund sind Partnerschaftsprobleme. Dazu gehört insbesondere eine instabile Beziehung oder eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob das Kind ausgetragen werden soll. Gewöhnlich ist eher der Kindsvater dagegen als die Schwangere. Auch kann der Schwangerschaft ein Seitensprung zugrunde liegen. Häufig wird auch Überforderung als Grund genannt. Das Gefühl der Überlastung stellt sich beispielsweise ein, wenn bereits andere Kinder erzogen werden oder das erwartete Kind allein erzogen werden muss. Beim Gefühl der Überlastung können finanzielle oder materielle Gründe eine Rolle spielen. Ebenfalls häufig sind biografische Gründe. Dazu können das zu geringe oder das zu hohe Alter der Schwangeren oder eine unpassende Lebenslage wie Ausbildung oder starke Belastung durch Arbeit gehören, aber auch der Wunsch nach Selbstverwirklichung, die durch die Geburt des Kindes gefährdet scheint. Materielle Sorgen werden auch als Grund vorgebracht, jedoch ebenso wie der äußere Druck seitens der Familie oder des Umfeldes etwas seltener. Dieser Befund macht deutlich, dass soziale Hilfen zwar zur Entscheidung, das unerwünschte Kind auszutragen, beitragen können, jedoch nicht Schwangerschaftskonflikte aus der Welt schaffen können. Schwangerschaftskonflikte sind oft vielschichtig und finanzielle und materielle Aspekte sind nicht unbedingt entscheidend.
Zu den selteneren Gründen für einen Schwangerschaftskonflikt gehören medizinische Gründe hinsichtlich der Schwangeren oder des Kindes oder eine Vergewaltigung.ii
Soziale Faktoren bezüglich der Fortsetzung der Schwangerschaft
Eine große Rolle bezüglich der Entscheidung, eine ungewollte Schwangerschaft fortzuführen oder nicht, spielen Bildung und Ausbildungs-, Berufs- und Karriereperspektiven. Schwangere mit geringem Bildungsgrad aus prekären sozialen Verhältnissen entscheiden sich häufiger für die Fortsetzung der Schwangerschaft. Aufgrund der geringeren beruflichen Möglichkeiten sehen sie in der Austragung des Kindes eine Möglichkeit, ihr Leben mit einer sinnvollen Aufgabe zu füllen, Anerkennung über die Mutterrolle zu gewinnen und für eine kurze Zeit auch eine finanzielle Basissicherung zu erhalten. Schwangere mit mittlerem und insbesondere höherem Bildungsgrad und guten beruflichen Aussichten sehen dagegen die Austragung eines ungewollten Kindes eher als „Karrierekiller“ an und entscheiden sich daher häufiger für den Abbruch der Schwangerschaft. Wenn eine Schwangerschaft gewünscht wird, dann eher zu einem späteren Zeitpunkt.iii
Neben den beruflichen Aussichten spielen bei der Entscheidung hinsichtlich Fortführung oder Abbruch der Schwangerschaft auch materielle Aspekte eine Rolle. An einen Abbruch der Schwangerschaft wird insbesondere dann gedacht, wenn sich die Frau (und ihr Partner) nicht in der Lage sieht, ein Kind aufzuziehen, sei es aus einem Mangel an Geld, aufgrund von unzureichenden Wohnverhältnissen oder wegen Arbeitslosigkeit. Eine Frau, die Überforderung befürchtet, hat Angst davor, ein Kind auszutragen.
Die Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, erfolgt somit auch häufig bei einer schwierigen partnerschaftlichen Situation, nach Beendigung einer Partnerschaft oder wenn sich die Schwangere für die Austragung eines Kindes als zu jung und damit als zu unreif oder als zu alt empfindet. Insbesondere wenn die Schwangerschaft auf sexuellen Zwang oder gar auf Gewalt zurückgeht, ist die Neigung zum Abbruch der Schwangerschaft groß.iv
Sollen Schwangere und ihre Partner dazu ermutigt werden, ein ungewolltes Kind auszutragen, muss zum einen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie angesetzt werden, zum anderen bedarf es ausreichender materieller Unterstützung insbesondere von Frauen (und ihren Partnern), die sich überfordert fühlen. Die Klärung existenzsichernder Fragen hat für viele Ratsuchende oberste Priorität, um sich überhaupt mit weiteren Themen wie der Vorbereitung auf die Geburt des Kindes beschäftigen zu können. Es ist also wichtig, Schwangere und ihre Partner auf die Vielzahl verschiedener Unterstützungen hinzuweisen und ihnen die Angst vor einem sozialen Abstieg zu nehmen.v
Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Wenn eine Frau ein Kind gebiert, stellt dies einen tiefen Einschnitt in ihr Leben dar, auch ihr berufliches. Oft sind damit auch Nachteile beruflicher und finanzieller Art verbunden. Das wiederum bringt Nachteile bei der Altersversorgung mit sich, was umso schwerer wiegt, als der Nachwuchs zur Sicherung der Renten beiträgt.
Damit diese Nachteile nicht die Frau zu einer Abtreibung bewegen, ist es erforderlich den Einschnitt in das Leben abzufedern und die beruflichen und finanziellen Nachteile zu minimieren. Es gibt eine Vielzahl von Hilfen: Das Mutterschutzgesetz sieht die Zahlung des sogenannten Mutterschaftsgelds vor, das für die Dauer der gesetzlichen Mutterschutzfristen gezahlt wird. Berufstätige Frauen genießen während der Schwangerschaft einen besonderen Kündigungsschutz. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen über die Schwangerschaft informiert ist. Elternzeit, Elterngeld und ElterngeldPlus machen es Müttern und Vätern leichter, ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend zu unterbrechen oder einzuschränken und für ihr Kind da zu sein. Die Höhe des Elterngelds hängt davon ab, was der betreuende Elternteil vor der Geburt des Kindes verdient hat. Das ElterngeldPlus ist für Eltern gedacht, die schon bald nach der Geburt des Kindes wieder in Teilzeit arbeiten wollen, noch während sie Anspruch auf Elterngeld haben. Von der Geburt des Kindes bis zum 18. Lebensjahr haben Eltern darüber hinaus Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag. Eltern mit geringem Verdienst erhalten zusätzlich (bis zum 25. Lebensjahr des unverheirateten Kindes) einen Kinderzuschlag.vi
Besondere Hilfen gibt es für Studentinnen und Studenten, Alleinerziehende, für Eltern von Mehrlingen und für Eltern eines Kindes mit einer Behinderung oder chronischen Krankheit.
Finanzielle und materielle Hilfen für Eltern mit geringem Einkommen
Eltern, die ein geringes Einkommen haben, arbeitslos, verschuldet und/oder vom Verlust der Wohnung bedroht sind, können auf vielfältige Hilfe und Unterstützung zurückgreifen.
Eine besondere Bedeutung kommt der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ zu. Sie hilft finanziell zum Beispiel bei der Anschaffung von Schwangerschaftsbekleidung, der Erstausstattung des Kindes, der Weiterführung des Haushalts, der Wohnungseinrichtung sowie der Betreuung des Kleinkindes, etwa um eine Ausbildung beenden zu können.
Auch werden Eltern durch das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket im Hinblick auf Angebote in Schule und Freizeit unterstützt, wenn sie sich die Kosten dafür ansonsten nicht leisten könnten.vii
i Vgl. Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (2024), 86.
ii Vgl. Florian Michael Dienerowitz, Der Diskurs um § 218 StGB und Ursachen von Abtreibungen. Eine Bilanz der Beratungsregelung 25 Jahre nach den Gesetzesreformen von 1995, Wiesbaden 2023, 147-220. Seine Auswertung von Protokollen aus der Schwangerschaftsberatung einer unabhängigen Beratungsstelle brachte hinsichtlich der Häufigkeit von Konfliktgründen folgendes Ergebnis zutage: Partnerschaftsprobleme 62,2 %, Überforderung 49,3 %, Biografische Gründe 43,5 %, Materielle Sorgen 29,8 %, Äußerer Druck 28,4 %, Medizinische Gründe Schwangere 19,2 %, Medizinische Gründe Kind 6,9 %, Vergewaltigung 1,2 %. Oftmals wurden mehrere Gründe vorgebracht. Hauptkonfliktgründe waren meist Partnerschaftsprobleme (39,8 %), gefolgt von Biografischen Gründen (20,4 %), Überforderung (14,5 %) und Äußerem Druck (10,5 %). Materielle Sorgen (5,2 %) und Medizinische Gründe Kind (4,4 %) und Schwangere (4,0 %) spielten eine untergeordnete Rolle. An letzter Stelle findet sich die Vergewaltigung (1,2 %). Ähnliche Studien seien gemäß dem Autor sehr selten und hinsichtlich der Methodik nicht unbedingt vergleichbar. Vergleichbare Daten von anderen Untersuchungen und Statistiken würden jedoch die Ergebnisse der eigenen Untersuchung bestätigen.
iii Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [Hrsg.], Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen (Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung), 4. aktualisierte Aufl., Köln 2009, 8-9.
iv Vgl. Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (2024), 83-91. Laut Daphne Hahn u.a., Abschlussbericht der Studie: Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer. Angebote der Beratung und Versorgung (ELSA), Stand Dezember 2024, 358-389 würden Frauen mit Gewalterfahrungen in der Schwangerschaft sehr viel häufiger ungewollt schwanger und entschieden sich auch häufiger für einen Abbruch.
v Vgl. https://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2010/artikel/auch-ohne-schein-gut-beraten (aufgerufen am 12.04.2023). Zu partnerschaftlichen Aspekten siehe Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin (2024), 87-88.
vi Konkret zum Kinderzuschlag siehe https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/kinderzuschlag/was-ist-kinderzuschlag–124590 (aufgerufen am 12.02.2022).
vii Ein Überblick über die sozialen Hilfen findet sich in https://www.caritas.de/hilfeundberatung/ratgeber/schwangerschaft/finanzielle-hilfen-vor-und-nach-der-gebu ; https://www.familienplanung.de/beratung/recht-und-finanzen/ (jeweils aufgerufen am 12.02.2022).